Davy, der Champion, der nicht gelaufen ist

Veröffentlicht auf von Bettina

 AIs mein Sohn Davy in der vierten Klasse in die Geländelauf-Mannschaft seiner Schule eintrat, kam seine große Laufbegabung rasch zum Vorschein. Bei Wettläufen war er immer einer der Schnellsten, und wir waren sehr stolz auf ihn.

Bald wurde er aufgefordert, in einen Leichtathletikverein einzutreten, den mehrere Trainer am Ort gegründet hatten. Es war eine großartige Chance, aber es war auch ein Problem dabei — viele Wettbewerbe fanden am Sonntag statt. Deshalb trat Davy nicht in den Verein ein.

Als Davy auch im nächsten Jahr nicht in den Verein eintreten wollte, nahmen die Trainer an, mein Mann und ich wollten ihn davon abhalten. Aber wir teilten ihnen mit, Davy habe sich selbst entschieden.

Davy erklärte den Trainern: „Ich würde wirklich gerne in den Verein eintreten, aber sonntags laufe ich nicht.”

Bis zum sechsten Schuljahr war Davy schon ein so guter Läufer geworden, daß er hei jedem schulischen Wettbewerb unter den ersten Drei war. Wieder wurde er aufgefordert, dem Verein beizutreten. Diesmal war noch ein weiterer Anreiz dabei — die Jungen hatten vor, in den ganzen Vereinigten Staaten umherzureisen und an der Landesfinale für ihre Altersklasse teilzunehmen. Die Trainer und die Mannschaft wünschten sich sehr, daß Davy mitmachte.

Davy empfing in dem Jahr das Priestertum und wurde zum Diakon ordiniert. Als er uns von der Einladung des Leichtathletikvereins erzählte, fragten wir nur: „Und was ist mit deinen Priestertumsaufgaben!”

Davy antwortete dem Verein: „Ich muß sonntags in der Kirche sein.”

Der Verein kam ins Landesfinale und trat gegen Mannschaften aus dem ganzen Land an und gewann; jetzt waren sie US-Meister. Als die Jungen nach Hause kamen, waren die Schule, die Eltern und die Trainer völlig aus dem Häuschen. In der Schule fand eine Versammlung statt, zu der auch Zeitungsreporter und Leute vom Fernsehen kamen. Die Jungen wurden einer nach dem anderen aufgerufen, und das Publikum klatschte laut.

Davy saß da und sah zu, wie die Jungen die Anerkennung erhielten, die auch er hätte bekommen können, wenn er sich anders entschieden hätte. Mir tat das Herz weh, als ich die Tränen in seinen Augen sah. Ich klopfte ihm auf die Schulter, und wir verließen die jubelnde Menge. An einer abgeschiedenen Stelle nahm ich ihn fest in die Arme, und wir weinten beide ein bißchen. Dann erklärte ich ihm, wie stolz ich auf ihn sei. Davy hatte das getan, was der himmlische Vater von ihm erwartete. Die Bewunderung der Menge und die Anerkennung der Welt besitzen große Anziehungskraft, aber mit unserem ewigen Fortschritt haben sie wenig zu tun.


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Ein paar Tage darauf erzählte ich einer Freundin davon. Kurz danach schickte sie ihm einen Brief, zusammen mit einer Trophäe. Darauf war eingraviert: „Für Davy, einen jungen Champion.”

In dem Brief stand: „Du hast Entscheidungsfreiheit bekommen. Danke für dein Beispiel. Du bist wahrhaftig ein Champion.”

 

Susan E. Tanner; Mai 1993

 

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